Spielstrategien
im Teamturnier
Das Teamturnier unterscheidet sich vom Paarturnier
in der Art der Abrechnung, und in der Folge dieses Unterschiedes
auch erheblich in Strategie und Taktik. Jedes Board wird an zwei
Tischen über Kreuz gespielt, und die Ergebnisse werden am Ende
miteinander verglichen. Es gibt also nur zwei Anschriften. Was zählt,
ist die Differenz bei den beiden erzielten Scores (und nicht der
Maximal-Score); diese Differenz wird mit Hilfe einer Tabelle für
jedes einzelne Board umgerechnet in IMP’s (= International
Match Points); die IMP-Differenz aus allen gespielten Boards wird
am Ende aufsummiert und noch einmal mittels einer Tabelle in Siegpunkte
umgerechnet, was dann das Endergebnis ist. Dies Verfahren unterscheidet
sich vom Paarturnier fundamental, denn dort zählt allein die
absolute Größe des Sccores, also z.B. 110 für 2
Treff + 1 oder 120 für 1 SA + 1, wobei schon 10 Scorepunkte
in der Wertung des Boards einen großen Unterschied ausmachen
können (was im Teamturnier nicht der Fall ist). Im Paarturnier
ist jedes einzelne Board in der End-Abrechnung am Ende gleich viel
wert (also z.B. bei 25 Boards 4 % vom Gesamtergebnis); im Teamturnier
ist es die Differenz der IMPS aus allen Boards, die am Ende das
Ergebnis ausmacht. Bei 7 Boards kann ein sehr schlechtes die anderen
6 relativ guten Boards erheblich in Mitleidenschaft ziehen. Beim
Paarturnier ist eine Sequenz von sechs 70%-Boards und einem Katastrophen-Nuller
in der Quersumme immer noch ein 60%-Stand und damit ein sehr guter
‚Lauf’.
Beim Teamturnier kommt es vor allem darauf an, Vollspiele
und Schlemms (wegen der Prämien) kompromißlos auszureizen
und dann sicher zu erfüllen. Wenn bei einem Board an einem
Tisch 4 Pik (= 420), am anderen 3 Pik + 1 (= 170) gespielt werden,
ist die Differenz 250 zugunsten des Teams, das
ausgereizt hat; die Differenz 250 entspricht 6 IMPS und ist schon
erheblich. Noch deutlicher wird die Differenz, wenn es sich um ein
Board in Gefahr handelt: 620 gegenüber 170, das ist 450
Differenz, was 10 IMPS bedeutet. Deshalb ist es gängig, in
Gefahr riskanter auf Vollspiele oder Schlemms zu reizen, weil der
mögliche Gewinn größer ist als der eventuelle Verlust.
Spielt der Gegner nur 3 Pik für 140 und man selbst fällt
in 4 Pik einmal, addiert sich dies für den Gegner zu 190
in Nichtgefahr (= 5 IMPS) bzw. 240 in Gefahr (=
6 IMPS) auf; man kann also bei einer gefährlichen Partie 10
IMPS gewinnen (oder aber, wenn überreizt worden ist, auch 6
verlieren), bei einer ungefährlichen Partie hingegen kann man
nur 6 IMPS gewinnen (oder entsprechend 5 IMPS verlieren), was die
Risikobereitschaft hier etwas dämpfen sollte.
Ein anderes Grundprinzip gilt für Vollspiele wie
Teilspiele gleichermaßen. Wenn bei einem Board an einem Tisch
2 Treff + 2 (= 130), am anderen 2 Treff + 1 (= 110) gespielt werden,
ist die Differenz 20 zugunsten des Teams, das 130 gespielt hat;
die Differenz 20 entspricht gerade einmal 1 IMP und fällt in
der Endabrechnung kaum ins Gewicht (sie kann im Paarturnier aber
schon die Unterscheidung zwischen Top und Nuller sein). Dies hat
Folgen: man wird im Teamturnier immer ein Sicherheitsspiel suchen
und nicht auf die Jagd nach Überstichen gehen, die im Paarturnier
von größtem Belang, im Teamturnier jedoch kaum etwas
wert sind. Dieses Sicherheitsspiel ist von erheblicher Bedeutung:
Die Differenz zwischen 4 Coeur (420) und 4 Coeur + 1 (450) ist 30
oder 1 IMP, die Differenz zwischen 4 Coeur gemacht (420) und vier
Coeur, auf der Suche nach dem Überstich einmal down (-50),
ist jedoch 470 (= 10 IMPS). Im Gegenspiel ist, aus den gleichen
Gründen, allein der erste Faller wichtig, nicht der bereits
‚eingedachte’ zweite oder dritte, wenn man dafür
riskiert, daß der Gegner seinen Kontrakt am Ende eventuell
erfüllt.
Bei der Wahl des Kontrakts sollte man im Teamturnier
ebenfalls immer auf ‚Nummer Sicher‘ gehen, da auch die
großen Score-Unterschiede, die im Paarturnier zwischen SA-,
Oberfab- und Unterfarbspielen bestehen, durch die IMP-Abrechnung
sehr nivelliert sind. Man spielt im Team lieber sichere 2 Karo für
90 als unsichere 1 SA + 1 für mögliche 120, man spielt
lieber 5 in Unterfarbe als riskante 3 SA mit einer ungedeckten Farbe,
man spielt lieber sichere 6 in Unterfarbe als spekulative 6 SA,
man spielt mit Oberfarben immer den Fit und nicht SA (für die
im Paartunier extrem wichtigen, hier aber völlig bedeutungslosen
10 Score-Punkte mehr).
Große Vorsicht sollte man im Teamturnier mit
Kontras walten lassen; ein kontrierter Faller macht einen nicht
viel reicher, als der Faller einen eh‘ schon macht; den Gegner
aber einen kontrierten Kontrakt, besonders ein kontriertes Teilspiel
(mit Überstich...) erfüllen lassen, ist ein veritables
Desaster: 2 Pik + 1 (140) am einen Tisch, 2 Pik Kontra + 1 (570,
sogar 870 in Gefahr) ergibt einen masiven Verlust von 430 (10 IMPS)
oder 730 (12 IMPS, in Gefahr) auf diesem einen Board, was im Paartunier,
wo alle Boards einzeln und gleich viel zählen, einen Nuller
bedeutet (den man mit dem nächsten Top wieder ausgleichen kann),
der im Teamturnier, wo die Addition der einzelnen Boards am Ende
zählt, aber schon ein ganzen Match kosten kann. Man sollte
deshalb nur klare Kontras für 2 oder mehr Falle abgeben, etwa
wenn evident ist, daß der Gegner einen Opferkontrakt spielt,
den man selbst nicht mehr für die eigene Seite gefahrlos positiv
überbieten kann.
Dies alles bedeutet aber nicht, daß im Teamturnier
der defensiv-vorsichtige Spieler im Vorteil ist. Sehr viele IMPS’s
kann beispielsweise ein unglückliches Agieren im Kampf um die
Teilspiele kosten, besonders, wenn es dem Gegner gelingt, mehrfach
an beiden Tischen positiv zu schreiben. Da, im Gegensatz zum Paarturnier,
beim Wettbewerb um ein Teilspiel selten ein Kontra droht, solle
man gerade hier recht aggressiv zu Werke gehen.
© Dr. Christoph Höcker, 86415 Mering
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