Nützliche
Konventionen
Es gibt eine schier unüberblickbare Zahl von Bridge-Konventionen.
Eine jede hat zweifelsohne ihre Meriten, aber nicht alle passen
miteinander zusammen in ein System. Im Laufe einer Bridge-Partnerschaft
ist es gut, entsprechen dem Stil der beiden Spieler die verschiedensten
Konventionen einmal auszuprobieren und auf ihre Effektivität
und Spielbarkeit hin zu prüfen. Variatio delectat. Am Ende
sollte jedoch eine eher kleine Anzahl von - nun wohlerprobten -
Konventionen den Weg in das Spielsystem finden. Konventionen sollten
einen Bridge-Spieler jedoch nicht nur unter dem Aspekt der möglichen
eigenen Verwendung interessieren, sondern auch hinsichtlich der
Überlegungen zu ‚defensiven’ Maßnahmen. Ein
brauchbares Buch: Barbara Seagram, Marc Smith, 25 Bridge-Konventionen,
die Sie kennen sollten, Bridge & More (Hennef 1999, ISBN: 3-9806482-1-4)
Weak Two’s: Sperreröffnung
für schwache Einfärber auf der Zweierstufe. Ein ‚Muß’
für jedes wettbewerbsfähige Bietsystem, verschiedentlich
in die 2-Karo-Multi-Konvention (s. unten) integriert. Weak Two’s
werden oft nicht nur für die beiden OF, sondern auch für
Karo gespielt. Die Anforderungen für eine Weak Two-Eröffnung
sollten von einer Partnerschaft recht genau geklärt sein; sie
differieren üblicherweise in Abhängigkeit von Gefahrenlage
und Position am Tisch, sind aber auch eine Frage des Spiel-Stils.
Ideal sind Hände mit spielbarer 6er-Länge und 3-8 oder
9 Figurenpunkten (in der deutschen Systemkategorie
C sind mindestens 5 Figurenpunkte im Blatt erforderlich!).
Das Blatt sollte keine oder wenige Punkten in Nebenfarben aufweisen
(Defensiv-Potenzial gegen gegnerische Kontrakte), und auch keine
sehr unausgeglichene Verteilung oder eine (zweite) 4er-OF; dies
ist zusätzliches Offensiv-Potenzial, das der Partner nicht
erwartet und ggf. ein sicheres Vollspiel oder den falschen Kontrakt
niederpaßt. Ein Problem ist desöfteren das Weak Two in
2. Position: Wenn der rechte Gegner gepaßt und man selbst
schwach ist, steigt die Chance, seinem starken Partner mit einer
Sperreröffnung wenig Freude zu bereiten; hier kann man auch
einmal taktisch passen. In 3. Position soll man hingegen immer rigoros
sperren. Eine 2er-Eröffnung in OF kann man auch für die
4. Position vereinbaren, dann allerdings für Hände mit
6er-Länge und 12-14 Figurenpunkten. Schwache Hände sollte
man unbedingt durchpassen; irgendjemand am Tisch (hoffentlich nicht
der Partner) hat etwas übersehen… Als forcierende Antwort
auf ein Weak Two in OF wird 2 SA (ab 15/16 Figurenpunkte) gereizt;
für die Fortsetzung der Reizung gibt es verschiedene Möglichkeiten
(am weitesten verbreitet: Ogust).
Drury: Eine in 5er-OF-Systemen höchst
wichtige Konvention, um als gepaßte Hand gegenüber Partners
Eröffnung von 1 in OF ein Maximum mit Fit ohne riskantes Sprunggebot
zu zeigen. Man reizt jetzt auf Partners Eröffnung künstliche
2 Treff. Der Eröffner deklariert seine Hand: 2 Karo ist ebenfalls
künstlich und zeigt eine unterwertige bzw. schwache Eröffnung
mit maximal 13 Figurenpunkten, die einfache Wiederholung der OF
ist analog limitiert, nun mit einer 6er-Länge (bei aggressiven
Eröffern ist dies meist ein etwas besseres ‚Weak Two’).
Man wird jetzt ggf. auf 2 in OF ausbessern oder passen und sicher
im Teilspiel bleiben. Jede andere Antwort vom Eröffner ist
blattbeschreibend und forcierend. Dieses Grundmuster läßt
sich in verschiedenen Variationen (auch mit nur Doubleton-Anschluß
oder als ‚reversed Drury’) und auch auf allen vier Eröffnungs-Positionen
in 5er-OF-Systeme integrieren; es ermöglich dann ein sicheres
‚handling’ von aggressiven Eröffnungen von 1 in
OF mit ihren erheblichen Sperrwirkungen.
Inverted Minors: Diese Konvention
wird im Alltags-Bridge öfter mißbräuchlich als sinnvoll
angewendet. Die Sprunghebung einer eröffneten UF zeigt per
definitionem eine schwache Hand (0-5 Figurenpunkte, je nach Stil
der Partnerschaft auch 3-5) mit mindestens einem 8/9-Karten-Fit
und Verteilung. Die einfache Hebung ist demgegenüber stark,
ab 10 Figurenpunkte mit Fit in dieser UF. 6-9 Figurenpunkte werden,
ohne 4er-OF, mit 1 SA gereizt, ansonsten immer die OF genannt. Die
Grundidee der Sprunghebung ist, die 4. Hand am Tisch auszusperren
oder zu behindern. Diese Rechnung geht eigentlich nur dann auf,
wenn die 4. Hand ungepaßt ist und die zweite über die
UF-Eröffnung nicht reizt. Oft spielt man jedoch jetzt einen
schlechten Kontrakt. Oder man gibt dem Gegner, z.B. nach einfacher
(starker) UF-Hebung auf dem weiteren Weg in 3 SA, die Möglichkeit
zur Erkenntnisgewinnung (etwa für ein Ausspiel). Die schwache
Sprunghebung sollte man nicht über eine Gegenreizung, und schon
gar nicht über ein gegnerisches Info-Kontra spielen: Die Reizung
1 Karo – Kontra – 3 Karo – Kontra ist kurz und
endet nach Trumpf-Ausspiel meist unglücklich.
Roman Key-Card Blackwood: Der heutige
Standard der Ass-Frage in der Schlemmreizung: Mit 4 SA wird, ein
bestätigter Fit vorausgesetzt, nach den 5 Key-Cards (4 Asse
+ Trumpf König) gefragt. Antworten: 5 Treff = 0 oder 3, 4 Karo
= 1 oder 4, 5 Coeur = 2 oder 5 ohne Trumpf Dame, 5 Pik = 2 oder
5 mit Trumpf Dame. Nach einer 5 Treff- oder 5 Karo-Antwort wird
mit dem nächsten freien Gebot (Gebot in Trumpf ist Abbruch
des Schlemmversuchs!) nach der Trumpf Dame gefragt. Antworten: nächstmögliche
Bietstufe = nein, übernächste Bietstufe = ja. Gut eingespielte
Partnerschaften können auch verschiedene komplexere Varianten
dieser Konvention spielen. Als Ergänzung wird oft ein unbedrängtes
Gebot von 4 in UF als Roman Key-Card Blackwood Assfrage vereinbart;
die Antworten erfolgen analog dem geschilderten Muster, jedoch nach
‚unten’ versetzt: 4 Treff = Frage; Antworten: 4 Karo
= 0 oder 3, 4 Coeur = 1 oder 4 etc.
Reizungen über Gegners 1 SA-Eröffnung:
Seit über 20 Jahren sind unzählige Zweifärber-Konventionen
gegen gegnerische 1 SA-Eröffnungen mit z.T. sehr zweifelhaften
Resultaten in Umlauf, die zur Folge haben, daß praktisch alle
Spieler die Lebensohl-Konvention, die eine Einfärber-Gegenreizung
für die 1-SA-Eröffner-Achse gut kontrollierbar werden
läßt, wieder aus dem Repertoire genommen haben. Gegen
starke SA-Eröffnungen, gegen die man immer nur ein Teilspiel
reizen oder stören bzw. billig opfern will, sollte man die
Gunst der Stunde nutzen und stabile Einfärber (besonders in
2. Position) direkt reizen (und sich an den grassierenden Konventionsexperimenten
ansonsten nicht beteiligen). Gegen schwache SA-Eröffnungen
sollte man hingegen eine Konvention spielen, die eine konstruktive,
auch ins Vollspiel führende Reizung zuläßt. Bewährt
hat sich Lionel, wo eine Zweifärber-Gegenreizung
zusammen mit einer Einfärber-Reizung für die Oberfarben
möglich ist; ab guten 11 Punkten kann man spielen:
X = Zweifärber mit Pik (Partner bestätigt
Pik, ggf. im Sprung, oder reizt 2 [oder auch 3] Treff als Suchgebot
für die zweite Farbe)
2 Treff/Karo = Zweifärber mit gezeigter Unterfarbe
und Coeur
2 SA = Zweifärber m. beiden Unterfarben
2 Coeur/2Pik = Hand mit 5er-Oberfarbe, Einfärber
3Treff/Karo/Coeur/Pik = sehr gute Einfärber-Hand
mit gezeigter Farbe, ab 16 Punkte
Gegen schwache SA-Eröffnungen ist auch Cappelletti
(sehr ähnlich: Gromöller) wirksam, wo
man ein im Paarturnier oft lukratives Strafkontra auf gegnerische
Kontrakte bekommt (nur für gute eingespielte Partnerschaften
geeignet).
Puppet-Stayman auf 2 SA-Eröffnungen:
Eine wichtige Konvention besonders für diejenigen Biet-Systeme,
die viele schwache Hände präzise reizen können, aber
kein echtes Semiforcing haben. Mit dieser Konvention wird es möglich,
eine in der starken 2 SA-Eröffnung enthaltene 5er-OF zu ermitteln.
3 Treff forciert zum Vollspiel und fordert den Eröffner auf,
sein Blatt zu beschreiben. Antworten: 3 Karo: mindestens eine 4er-OF.
3Coeur/Pik zeigt 5er-OF in der gereizten Farbe. 3 SA zeigt ein Blatt
ohne 5er- und 4er-OF. Nach der 3-Karo-Antwort des Eröffners
bietet der Antworter ggf. seine 4er-OF getransfert, also 3 Coeur
für Pik, 3 Pik für Coeur, so daß die richtige (starke)
Hand spielt. Der 3-Treff-Puppet-Staymen verspricht mithin nicht
notwendig eine eigene 4er-OF, sondern ggf. nur eine 3er-Länge.
Das Benjamin-System: …besteht
aus einer Kombination von Weak Two’s in den Oberfarben (s.oben),
einer 2-Treff-Semiforcing-Eröffnung und einer stärksten
Ansage von 2 Karo; es ist Bestandteil von Forum D. Auf 2 Karo wird
analog der üblichen starken 2 Treff-Eröffnung gereizt,
nur um eine Bietstufe nach oben versetzt, was verschiedentlich auch
von Nachteil sein kann. Die 2 Treff-Eröffnung markiert ein
beliebiges Semiforcing und ist mit prizipiell ähnlichem Effekt
und ähnlichen Mitteln störbar wie die starke, künstliche
1-Treff-Eröffnung in Precision oder Blue Club (s.unten). Nachteil
ist hier wie dort, daß der Partner des Eröffners zunächst
über Farbe und/oder Verteilung der Eröffnungshand keine
Informationen und über eine gegnerische Intervention deshalb
auch kein konstruktives Gebot hat.
Zwei-Karo-Multi: Diese Konvention
ist vor allem unter Acol-Spielern beliebt, die 2 Coeur/Pik stark
oder ebenfalls als Multi (z.B. Tartan) spielen. Die Eröffnung
beinhaltet in der Regel drei Hand-Typen: ein Weak Two in einer der
beiden OF, eine starke SA-Variante und ein Semiforcing in UF (oder,
alternativ zu letzterem, einen starken Dreifärber). Das Prinzip
ist, daß für den Partner des Eröffners eine Relay-Situation
entsteht (allerdings nur, wenn der Gegner nach der Eröffnung
nicht reizt; ansonsten gibt es mit einer schwachen Hand keinen Grund,
jetzt zu reizen, denn der Eröffner kommt auf jeden Fall noch
zu einem weiteren Gebot). Die möglichen Antworten auf die Zwei-Karo-Eröffnung
sind vielfältig und setzen genaue Absprache voraus. Oft gespielt
wird das 2-Coeur-Relay (Eröffner soll mit schwacher Hand passen
oder 2 Pik bieten) und, ab 15/16 Figurenpunkten, ein 2 SA-Gebot;
das 2-Pik-Gebot wird entweder forcing für Coeur seitens des
Antworters gespielt (Eröffner soll jetzt nur mit schwacher
Pik-Hand passen, mit den Coeurs sein Blatt aber weiter beschreiben),
als Punkte-Relay (12-14 Punkte, mit oder ohne Pik) oder ganz weggelassen.
Bietet der Eröffner nach 2 Karo – 2 Coeur (Relay) jetzt
2 SA oder 3 in UF, sind dies die starken Hände. Über die
2 SA-Antwort wird das (jetzt meist vorhandene) OF-Weak-Two der Eröffnung
in schwacher Version direkt auf der 3er-Stufe geboten, in etwas
stärkerer Version meist im Rahmen eines UF-Transfers: 3 Treff
für Coeur, 3 Karo für Pik. Der Partner des Eröffners
reizt nun den Endkontrakt. Der Vorteil der Konvention ist eine erschwerte
Gegenreizung und ggf. der Transfer-Effekt, der Nachteil, daß
in den Fällen, wo die Gegner sehr schnell ihr Vollspiel (etwa
3 SA) finden, der Partner des Eröffners desöfteren ein
Ausspiel ‚raten’ muß. Die Zwei-Karo-Multi ist
eine an sich international verbotene ‚Brown-Sticker-Konvention’,
im Gebiet des DBV allerdings zulässig.
Gegenreizung gegen starke, künstliche
1-Treff-Eröffnungen: Die Störanfälligkeit
dieser Systeme durch aggressive Interventionen ist ihr wahrer Schwachpunkt.
Läßt man den Gegner gewähren, wird der schlafwandlerisch
den besten Kontrakt und einen 65%-Score finden. Man sollte mit jedem
Einfärber intervenieren, am besten invertiert: 1 Karo/Coeur/Pik
ist schwach, also ein reines Störmanöver; dasselbe im
Sprung auf der Zweierstufe ist eine Aktion mit ‚solider’
Hand. Zweifärber (5/4, besser 5/5 verteilt!) sollten unbedingt
gereizt werden, am einfachsten zu beherrschen: 1 SA = Zweifärber
mit Pik (Partner bietet ggf. 2 Pik oder sucht mir 2 Treff die zweite
Farbe); 2 SA = Zweifärber ohne Pik (Partner sucht ggf. mit
3 Treff). Gut eingespielte Paare präferieren CRaSh. CRaSh ist
eine Abkürzung für C = Color (Farbe = rot oder schwarz
= Treff/Pik oder Herz/Karo), Ra = Rank (Rang = Ober- oder Unterfarbe
= Treff/Karo oder Herz/Pik), Sh = Shape (Form = Eckig oder rund
= Treff/Herz oder Pik/Karo) und zeigt die Zweifärber an, die
durch die Gebote Kontra, 1Karo und 1SA gezeigt werden. Man findet
praktisch immer einen Fit zum Sperren. Das kann bisweilen zwar auch
fatal enden, ist aber langfristig eine Gewinn-Strategie.
‚Inverted over Opponents Takeout-Doubl’:
Nur für gut eingespielte Partnerschaften. Jede billige Reizung
über ein gegnerisches Info-Kontra auf Partners Eröffnung
ist nonforcing, mit 0-5 Figurenpunkten. Das informiert den Eröffner
(und, per Alert, natürlich auch den Gegner), aber kein System
der Welt hat hier jetzt ein Strafkontra. Ein Pass zeigt eine stärkere
Hand mit 6-9 Punkte, ein Rekontra zeigt ab 10 Punkte aufwärts
(mit der Tendenz, den Gegner jetzt in jedem Flucht-Kontrakt strafzukontrieren),
ein Sprunggebot in Farbe ist partieforcing. Besonders das ‚starke’
Pass (in Deutschland darf dieses ‚künstlich-informative’
Pass nicht alertiert werden!) kann den Gegner animieren, zu optimistisch
zu reizen, um dann am Ende verblüfft die Kontra-Karte des Passers
zu registrieren.
Namyats: Nicht japanisch, sondern
‚Stayman’ rückwärts, auch Texas-Transfers
genannt. Eine künstliche Eröffnung für starke, partieforcierende
Einfärber in OF mit mindestens sehr stabiler 7er-Länge.
4 Treff zeigt eine starke Coeur-Hand, 4 Karo eine starke Pik-Hand.
Partner reizt jetzt die durch die Eröffnung intendierte Trumpf-Farbe
(Abschluß) oder nutzt einen Vorteil der Konvention: Über
das 4er-UF-Eröffnungsgebot läßt sich noch vor dem
Abschluß im Vollspiel informativ ein möglicher Schlemm
ausloten bzw. ein Schlemminteresse zeigen.
© Dr. Christoph Höcker, 86415 Mering
|